„Hundert Dollar Baby“ von Robert B. Parker

30. Januar 2012 0 Von Patrick
Bewertung:

Es ist ein klarer Januartag in Boston, Massachusetts, (vermutlich um die Jahrtausendwende) als der in die Jahre gekommene Privatdetektiv Spenser, ein ehemaliger Profiboxer, Besuch von der Edelhure April Kyle bekommt. April ist keine Unbekannte für den Ex-Cop, hatte er die mittlerweile erwachsene Frau in einem seiner ersten Fälle als jugendliche Prostituierte aus den Händen schmieriger Zuhälter gerettet und in die fürsorglichen Arme der als äußerst fair beschriebenen Leiterin einer noblen Bordellkette übergeben – Patricia Utley. Hört sich komisch an? Ja – ist aber so. April hat sich zwischenzeitlich jedenfalls gemausert und es in das Management eines der Utley-Bordelle geschafft. In der Chefetage genießt sie alle Vorteile und kann sich ihre Freier aussuchen. Allerdings hat sich auch mit der Schattenseite der Sexindustrie zu kämpfen. Sie wird von einem anonymen Anrufer erpresst, ihre Mädchen werden bedroht. Hier beginnt der Auftrag für Spenser. Zusammen mit Auftragsmörder Hawk, Schläger Tedy Sapp („die fiese Tunte aus Georgia“), Psychologin Susan (seiner Lebensgefährtin) und Kommissar Corsetti macht sich Spenser daran, ein schier undurchdringbares Geflecht aus Lügen und Intrigen zu lösen. Dass es dabei den einen oder anderen Toten gibt, liegt ebenso in der Natur der Sache wie die berühmte überraschende Wendung, die den Fall letztendlich zur Auflösung führt.

Fazit: Mit der Rezension von Parkers „Hundert Dollar Baby“ habe ich mich zum ersten Mal in die unendlichen Tiefen meines Bücherregals begeben, um dort bislang ungelesene Romane zu entdecken und sie zu kommentieren. Leider mit einem ernüchternden Ergebnis. So viel sei vorweg gesagt.

Wenn man sich den Lebenslauf von Robert B. Parker (1932-2010) betrachtet, fällt einem sofort die Masse an Literatur auf, die der amerikanische Autor in den vergangenen Jahrzehnten auf den Markt geworfen hatte. Alleine dem kernigen Protagonisten Spenser widmete Parker seit 1973 ganze 38 Romane – und damit bis zu seinem Tod in Januar 2010 fast jedes Jahr ein Buch. Eine enorme Leistung. Darunter – wenn man den vielen Rezensionen im Internet glauben darf – auch viele Juwelen der Kriminalliteratur. Unter diesem Gesichtspunkt und mit dem fehlenden Hintergrund aus über 30 Spenser-Romanen scheint es vielleicht nicht fair, eine Kritik zu Parkers Spätwerk „Hundert Dollar Baby“ zu schreiben. Immerhin erschien das Buch 2006, in einem Jahr, als Parker seinen 74. Geburtstag feierte. Nichtsdestotrotz habe ich mich völlig unwissend, dafür aber vielleicht umso neutraler an die Lektüre des Krimis aus dem Pendragon Verlag gesetzt, um hier einige Zeilen darüber zu verlieren.

Um es kurz zu machen: Ich bin enttäuscht. Noch nie habe ich so lange für knapp 200 Seiten gebraucht, wie beim Schmökern dieses Buches. Nicht, dass der Stil extrem schlecht wäre – der trockene Humor, der Spenser und seine Truppe umgibt, ist noch das erfrischendste Moment an diesem Roman. Es ist die Geschichte an sich, die relativ schnell in Langeweile umschlägt. Zu keinem Zeitpunkt kommt Spannung auf. Das Storytelling ist aalglatt, der Plot ist flach und vorhersehbar. Spenser und seine Freunde sind unnahbar, es fehlen Ecken und Kanten oder zumindest ein zentraler Konflikt, an dem sich der Protagonist abarbeiten muss.

Zunächst trifft Spenser auf April, die er in einem früheren Fall aus der Bordellszene in die Bordellszene gerettet hatte. Sie nimmt ihm das auch Jahre danach nicht übel. Viel mehr noch entschuldigt sie sich bei Spenser dafür, dass sie es nie aus der Sexarbeiterinnen-Szene geschafft hat: „Ich hatte Angst, […] dass es dich stört, dass ich immer noch mein Geld als Hure verdiene.“ (S. 8 ) Friede, Freude, Eierkuchen schon im Prolog. Bereits im zweiten Kapitel nimmt Spenser den Auftrag wahr. Schläger betreten Aprils Bordell, leisten sich über wenige Zeilen ein Wortduell mit Spenser und Hawk und ziehen ebenso schnell und sichtlich beeindruckt von dannen. Ähnlich verlaufen die Aufeinandertreffen der beiden „Helden“ mit Ollie DeMars, dem Leiter der Schlägerbande in Aprils Viertel, Immobilien-Hai Lionel Farnsworth und sogar den DeNuccis, die der italienischen Mafia angehören – jeder beantwortet (vielleicht nicht immer hundertprozentig ehrlich, dafür aber) bereitwillig die Fragen der Privatermittler. Und als Spenser doch einmal [sic!] angegriffen wird, machen er und Tedy Sapp ohne Anstrengungen kurzen Prozess mit der Bande: „Linke Gerade, linker Haken, linker Haken, rechter Cross.“ (S. 55) Besonders verwundert hat mich allerdings die Tatsache, dass Spensers Lebensgefährtin Susann, die Psychologin, uneifersüchtig und ohne einmal zu mucken hinnimmt, dass ihr treuer (und Bordell erfahrener) Freund bei den Edelhuren ein- und ausgeht.

Zusammenfassend kann ich „Hundert Dollar Baby“ nicht viel abgewinnen. Schon der Titel, der eine 1:1-Übersetzung des englischen Originals ist, lässt keinen interessanten Plot vermuten. Leider. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung, die ich in naher Zukunft vielleicht mit der Lektüre eines früheren Spenser-Falls revidieren kann. Titelvorschläge werden gerne angenommen! [paku]

„Hundert Dollar Baby“ von Robert B. Parker
Pendragon Verlag
206 Seiten
EUR 9,90
ISBN-10: 3865320805
ISBN-13: 978-3865320803