„Die Giftmischerin“ von Bettina Szrama

9. April 2013 1 Von Kadda
Bewertung:

Die Giftmischerin

Der historische Roman von Bettina Szrama lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Bis zur letzten Seite war mir nicht ganz klar, ob er überhaupt etwas für mich ist oder ob ich das Buch genial finden soll.

Kurzbeschreibung des Gmeiner-Verlags:

DER ENGEL VON BREMEN Die Hansestadt Bremen im frühen 19. Jahrhundert. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, intelligent und schön, sehnt sich die junge Gesche Margarethe Timm nach Glanz und Reichtum. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ihr jedes Mittel recht. Frühzeitig bestiehlt sie ihre Eltern und beginnt, skrupellos und heimtückisch alle zu töten, die ihrem Erfolg im Weg stehen. Manche ihrer Opfer pflegt sie dabei bis zum Gifttod aufopferungsvoll – als „Engel von Bremen“.
Der erste historische Kriminalroman über Gesche Gottfried, Deutschlands berühmteste Serienmörderin.

Die Story beruht auf wahren Begebenheiten. Die Autorin führt im Anhang ihre Quellen auf sowie eine genaue Abfolge aller Morde und der Verlag verspricht den „ersten historischen Kriminalroman über Deutschlands berühmteste Serienmörderin“. Schon allein diese Tatsache im Hintergrund und dabei alle paar Seiten einen neuen Mord präsentiert zu bekommen, lässt eigentlich die Botschaft des Romans klar werden: Es gibt sie, schlechte, grausame Menschen, die Lust und Spaß am Töten finden. Die Realität des Giftmischerinnen-Romans wirkt authentisch und macht einen auch ein wenig traurig. Denn viel Gutes findet man hier nicht. Kein Gute-Laune-Roman!

Der Schreibstil von Szrama wirkt schnell, präzise und baut die Figur der Gesche Gottfried von Anfang an mit einer Kälte und Oberflächlichkeit auf, dass man beim Lesen regelmäßig erschaudert. Gesche ist nicht fähig menschliche Beziehungen zu führen, sei es zu ihren Eltern, Kindern, ihrem Bruder oder ihren zahlreichen Geliebten und Ehemännern.

„Sie waren sich fremd. So fremd, dass ihnen die kalte Nachtluft weniger anhaben konnte als die Kälte in ihren Seelen“.

Dieses Zitat beschreibt in zwei Sätzen den Endpunkt, in dem alle zwischenmenschlichen Verhältnisse der Giftmischerin gipfeln. Und nach dieser Kälte folgen regelmäßig das Rattengift und der qualvolle Tod.

Besonders kennzeichnend ist die Schizophrenie der mörderischen Hauptfigur. Sie tötet meist aus Geldmotiven. Später aber auch einfach aus Lust am Vergiften, oder sogar nur um neues Gift, wie die harmlos klingende Mäusebutter auszuprobieren. Gleichzeitig ist sie nach außen hin immer die pflegende gute Ehefrau, Freundin oder Mutter, die schrecklich darunter leidet, dass wieder einer ihrer nahestehenden Lieben elendig sterben muss. Sie baut außerdem ihre Wohltätigkeiten immer wieder weiter aus und hilft Armen Wünsche zu erfüllen und spendet ihr verbrecherisch ergattertes Geld. Aber auch diese Robin Hood-Mentalität dient im Endergebnis nur ihrer Selbstsucht und Oberflächlichkeit. Sie will damit ihren guten Ruf untermauern und von den Verbrechen ablenken.

Gesche leidet das ganze Buch über an sich selbst: an ihren Taten, ihrer Gier und Oberflächlichkeit genauso wie an ihren Verstrickungen. Zwischendurch verliert man als Leser sogar den Überblick, wieviele Menschen jetzt schon Opfer des Mäusegifts geworden sind. Im Großen und Ganzen ist das Grundgefühl der Gesche aber das einer tiefen Einsamkeit. Sie ist allein, auch so lange ihre Mitmenschen noch leben. Sie ist ständig unzufrieden, fühlt sich unverstanden und malt sich aus, wie es ihr wohl ohne das jeweiligen nächsten Opfers gehen könnte. Hat Gesche denjenigen dann umgebracht, zeigt sie keine Reue, doch sie vermisst einige der Toten nach kurzer Zeit schon wieder, wie ihre Magd, Beta, die sie wegen ein paar Talern vergiftet und die ihr jahrelang treu als Freundin zur Seite stand. Man könnte hier jetzt seitenweise über diese Art Frauen und dem klischeebeladenen, passenden Giftmord schreiben. Da gibt es bestimmt sogar genderspezifische Studien dazu 🙂 Das spare ich mir an dieser Stelle aber. Nur so viel: Gesche Gottfried scheint von Grund auf böse, besonderes Kennzeichen: schwarze Seele. Wirklich nachvollziehen kann man diese Entwicklung allerdings nicht. Bereits als Kind bestiehlt sie ihre Eltern und mimt nach außen hin den Engel und beschuldigt andere ihrer Taten.

Mein Fazit: Spannender, stilistisch sehr gut geschriebener historischer Roman mit kalter, düsterer Grundstimmung. Was mir etwas gefehlt hat, wenn das auch vielleicht etwas naiv klingen mag: Die positiven Seiten der Menschheit bleiben auf der Strecke. Für die Giftmischerin kann man eigentlich keine Sympathie empfinden, aber auch die anderen Figuren lassen einen als Leser nicht nah genug ran, um für sie etwas Wohlwollendes empfinden zu können. Die Atmosphäre des Romans lässt einem die Schlechtigkeit und Oberflächlichkeit der Hauptfigur durch und durch spüren. Aber nicht nur die der Protagonistin: Man sieht dem Bösen der Menschheit ins Auge und wird aber mit jeglichen psychologischen Kausalitäten allein gelassen. Keine schlechte Kindheit, Erziehung oder irgendwelche traumatischen Erlebnisse führen zu den Giftmorden, sondern lediglich Langeweile, Gier und Bosheit. Das ist für meine persönliche, philosophische Anthropologie etwas wenig. Denn: Ich möchte nicht glauben, dass es von Geburt an diese Art von schlechten, bösen, schizophrenen Menschen gibt. 🙂

Die Giftmischerin von Bettina Szrama
Gmeiner Verlag
324 Seiten
EUR 12,90
ISBN: 3-89977-791-3
EAN: 9783899777918